Ich beschäftige mich gerade viel mit dem Wind, auch angeregt durch ein Buch von Susanne Fischer-Rizzi „Das Geheimnis deines Ortes“.
Wind haben wir hier wahrlich genug. Alle, die hierhergezogen sind, bekommen zunächst zu hören, dass unsere Küstenstrecke Hustadvika zu der Region Norwegens gehört, die am stärksten vom Wind betroffen ist. Fast nie ist es komplett windstill. Interessanterweise ist es gerade heute, wo ich diesen Blog schreibe, total still. Das Meer ist ruhig wie ein See und auch in der Natur ist kaum was zu hören. Es wird gesagt, dass niemand eigentlich freiwillig hierherzieht, der nicht in dieser Region aufgewachsen ist. Nun ja, ich wusste zwar, dass es hier an der Küste mehr Wind gibt, als im Inland, aber das es selbst im Sommer mehr Tage mit Wind gibt als ohne, war mir so nicht bewusst.
Was macht der Wind mit uns Menschen hier? Welcher Wind überwiegt? Der Wind hier sieht auf jeden Fall anders aus, als in anderen Ländern. Zum Beispiel bringt der Südwest- oder Südostwind die meisten und stärksten Stürme. Vor allem von Herbst bis Frühjahr ist das eigentlich auch die vorherrschende Windrichtung. Wird der Wind stärker, heiβt es bei uns, bring alle losen Gegenstände in Sicherheit. Stühle und Tische über den Winter drauβen stehen zu lassen, ist bei uns direkt an der Küste nicht möglich. Da dieser Wind auch groβe Schäden anrichten kann, gibt es hier fast keine Häuser, die Fenster auf der Südseite des Hauses haben. Das war für mich anfangs ungewohnt, da es natürlich die hellste Seite ist, wo am meisten Sonnenlicht hereinkommt. Diese Windrichtung ist bei uns nicht beliebt. Sie bringt bei wetterfühligen oft Kopfschmerzen und viel peitschenden Regen, bei dem es definitiv keinen Spaβ macht, sich drauβen aufzuhalten.
Der Nordwind ist der typische Sommerwind. Er bringt schönes trockenes Wetter mit sich, oft in längeren Perioden. Der Nachteil ist, er bringt auch eine gewisse Kühle mit. Man freut sich auf das schöne Wetter, das angesagt ist. Oft ist auch gar kein groβer Wind gemeldet. Aber man geht in den Garten, hat sich viel vorgenommen und man merkt die Kälte, die in den Körper steigt. Bei diesem Wind ziehe ich mich auf die Südseite zurück mit meiner Gartenarbeit. Da bin ich geschützt und genieβe die Zeit drauβen. Dieser Wind führt nicht zu körperlichen Beeinträchtigungen, wie Kopfschmerzen oder anderer Wetterfühligkeit. Aber er ist lästig. Im Winter/Frühjahr kann er auch auftreten und da mögen wir ihn sehr, denn er führt zu längeren Schönwetterperioden und schenkt uns das besondere arktische Licht und die blaue Stunde in dieser Zeit.
Reinen Westwind haben wir selten. Der kommt dann direkt vom Meer und ist sehr unangenehm. Diese Richtung gibt wenig Schutz bei uns. Westwind haben ich bisher hauptsächlich im Frühjahr erlebt. Der Westwind macht unsere Küste gefährlich, da wir viele Felsen vor der Küste haben und viele davon knapp unter Wasser liegen. Die Schiffe laufen dann Gefahr, auf ein Riff aufzulaufen, etwas, was wir im März 2019 fast erlebt haben, als ein Kreuzfahrtschiff Maschinenschaden hatte. Das war direkt vor unserer Bucht und es fehlten wirklich nur Sekunden. Gott sei Dank sprang die Maschine im letzten Moment wieder an und alle Menschen wurden gerettet. Es gab aber eine große Aufregung und der Vorfall war im In- und Ausland in den Medien.
Der letzte Wind, der auch sehr selten ist, ist der Ostwind. Dieses Phänomen erleben wir gerade jetzt. Der Ostwind bringt uns stabiles, trockenes Wetter. Er kommt von Land und das Gebirge lässt die Regenwolken vorher abregnen. Aber wir haben es jetzt gerade erlebt, dass die Luft trotz fehlender Wolken total diesig ist. Wir haben uns schon gefragt, ob es der Rauch von Kalifornien ist. Aber nein, die Winde bringen feinste Luftpartikel mit und so kann uns die Erde auch Geschichten fremder Länder erzählen. Den viele Partikel kommen von weit her. Im Moment bringt der Ostwind viele Staubteilchen aus dem Osten von der Landwirtschaft mit. Bei uns an der Küste ist bis auf Grasnutzung und Weide für Kühe wenig Landwirtschaft möglich. Die Sommer sind zu kurz und es fehlt lang anhaltende Wärme. So bekommen wir jetzt einen Eindruck über diese Partikel. Es gab sogar Warnung für Menschen mit Asthma oder anderen Beeinträchtigungen der Lunge, nach drauβen zu gehen. Etwas, was ich so bisher hier noch nicht erlebt habe.
Was macht der Wind mit den Menschen hier? Ich glaube sicher, dass es den Charakter prägt. Vor allem in alter Zeit, wo die Menschen noch mehr von der Natur abhängig waren. Man kommt weniger zu einer inneren Ruhe oder muss diese noch gezielter suchen, als woanders. Man kann den Wind als Gegenspieler sehen, denn viele Pflanzen wachsen hier nicht, oder kümmern durch Wind und Salz vom Meer. Oder man versucht mit den Winden in Kooperation zu gehen und zu schauen, welche Pflanzen windresistent sind und auf welcher Seite im Garten sie am besten wachsen.
Meine Kräuter und Heilpflanzen sind weniger windanfällig, als z.B. Obstanbau oder Gemüse. Aber ich habe auch schon viel erreicht. Am Anfang hat man mir gesagt, hier wächst nichts. Mit jedem weiteren Jahr beweise ich das Gegenteil. Manches Rosenjahr ist wunderbar, so wie dieses in 2020. Aber ich hatte auch schon Jahre wie 2019, wo kaum eine Rose richtig zur Blüte kam und die Blüte durch zuviel Regen sofort ihre Schönheit verloren hat. Damit muss man hier leben.
Ich möchte mich dem Wind mehr stellen, ihn noch mehr erfühlen. Raus gehen, wenn nicht gerade heftiger Sturm ist und wir davor gewarnt werden. Ich möchte noch mehr erfahren, was der Wind mit mir macht und wie ich ihm näherkommen kann. Und ich möchte noch viel mehr als bisher, Tage wie heute genieβen, wo es fast windstill ist und man wahrhaftig zur Ruhe kommen kann.
Eure Polarfee
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