Abschiedsstimmung

 

Habt Ihr gewisse Zeichen oder Momente im Jahreskreis, die Eure Stimmung verändern? Bei mir sind es definitiv die Kraniche.

 

Die ersten Kraniche versammeln sich nach dem Sommer bereits im August zum Abflug Richtung Süden. Das ist eine Ankündigung, dass der Herbst nicht mehr weit entfernt ist. Den letzten Zug dieser imposanten Vögel habe ich vor einigen Tagen über meinem Haus hinwegziehen sehen. Ich kann nicht sagen warum, aber es macht mich immer melancholisch. Dabei mag ich den Herbst, der nun definitiv vor der Tür steht. Vielleicht hat es mit meiner langjährigen Reisetätigkeit zu tun, neue Orte sehen, unterwegs sein in grösseren Gruppen. Aber ich bereue nicht, dass ich vor einigen Jahren an einem Punkt war, wo ich nicht mehr ständig unterwegs sein wollte. Ich wollte ankommen, Wurzeln schlagen, ein Gefühl von Geborgenheit, einen Platz, mit dem ich mich verbinden konnte. 

 

Ich habe mir viel Gedanken über die Kraniche gemacht. Warum berührt mich dieser Vogel so?

 

Der Kranich ist zunächst ein imposantes Tier. Es nimmt viel Platz ein und es ist nicht zu übersehen, wenn es auf meiner Wiese steht. Dazu ist es laut und nicht zu überhören. Einen besseren Wecker gibt es nicht. Es verbindet sich mit Artgenossen, ob nun im Vogelzug, oder auch wenn es auf der Wiese steht, fasts nie sieht man den Kranich allein. Der Kranich gilt auch als Vogel des Glücks, was mich natürlich freut, weil die Tiere sich von April bis August oft in meiner Nähe aufhalten. 

Tiefer gehend lehrt der Kranich auch die Kraft der Geduld (nicht meine Stärke), der Konzentration und den Fokus auf ein Ziel zu legen, ohne sich von den äußeren Umständen ablenken zu lassen. Das kann ich gut gebrauchen. Viele Jahre wurde uns beigebracht, das Mulitasking das A und O im Arbeitsleben ist und man war stolz, wenn man diese Fähigkeit hatte. Durch Corona wurden wir alle auf eine Umgebung zurückgeworfen, die ohne viel Ablenkung von auβen zu Recht kommen musste. Viele Wochen haben wir zu Hause zugebracht, ob im Home Office, in Quarantäne oder während des lockdown, weil man sich einfach nicht weit von seinem Zuhause weg bewegen durfte.  Es hat gut getan, aber es war auch eine groβe Herausforderung und viele kommen damit nicht gut klar, gerade im Sommer, der Zeit für Festlichkeiten, Parties, Freude, Reisen. Sie wünschen sich das Alltägliche zurück. 

 

Nein, das alltägliche Hamsterrad wünsche ich mir nicht zurück, aber einige schöne Herbsttage zum Kraft tanken, zum draußen genießen, für soziale Aktivitäten, bevor ich bewusst eintrete in die dunkle Jahreszeit. Noch sind bei uns die Tage länger als die Nächte und als im Süden, aber am 22. September kommt die Herbsttag- und Nachtgleiche. Dann werden die Tage hier kürzer. Schon jetzt spürt man es. Bereits um 20.00 Uhr ist es bei bedecktem Himmel dämmrig und auch morgens gegen 6.00 Uhr ist das Tageslicht noch gedämpft. Ich brauche wieder elektrisches Licht im Haus und hole die Kerzen wieder hervor. 

 

Der Kranich kann auch ein Begleiter in die Anderswelt sein, die rund um die Jahreskreisfeste wieder offener für uns ist. Ich werde mich ganz bewusst darauf einlassen und den Herbst willkommen heiβen, auch wenn ich mich auf den April und die Rückkehr dieser wunderbaren Vögel freue.

 

Was ich mitnehme von dem Coronasommer und den Kranichen? Eine größere Gelassenheit, Konzentration, die positiv ist, soziale Beziehungen, die absolut wichtig sind und die man mehr wertschätzen sollte und den Herbst dazu verwenden, um mehr ins Gleichgewicht zu kommen. Die Balanse zu finden, zwischen positivem Rückzug und der Offenheit für wertschätzende Begegnungen. Ich glaube, der Kranich wird mich mental noch eine Weile begleiten, auch wenn er jetzt unterwegs nach Süden ist. 

 

 

Eure Polarfee

 

 

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